Paul Knopf — Ein Wohnexperiment
Ich baue mir mein Haus, alle Räume sind schon da.
oder Der Versuch bis auf den eigenen Rückzugsort eine möglichst gemeinschaftliche Wohnform zu testen.
Schaut man sich einen klassischen Wohnungsbau oder ein klassisches Haus an, so kommt einem irgendwann der Gedanke, ob es nicht sinnvoll wäre, weg vom Individuellen zu denken und hin zur Gemeinschaft. Vielleicht stärkt dies die Gesellschaft, vielleicht verringert man damit seinen ökologischen Fußabdruck. Vielen architektonischen Entwürfen – nicht wenige dabei aus dem studentischen Milieu – wird diese Idee zugrunde gelegt. Jede gebaute Wohnform ordnet sich irgendwann ein zwischen totaler Privatsphäre mit purer Individualität und kompletter Gemeinschaft bis zur Aufgabe des Privaten. Spontan fallen mir Projekte ein wie das White U von Toyo Ito, Superstandard von Heide & von Beckerath, der Nagakin Capsule Tower von Kisho Kurokawa, das englische Back-to-back Haus, das Haus NA von Sou Fujimoto, das House for Seven People von mnm und letztlich der Wettbewerbsbeitrag Network by walk von Sou Fujimoto. Auf der anderen Seite fallen mir weitere Beispiele ein: Digitale Nomaden, welche nur mit ihrem Laptop und ihren sieben Sachen unterwegs sind, die aus dem asiatischen Raum bekannten Kapselhotels, welche teilweise komplett automatisiert sind und gar keine Angestellten mehr besitzen, japanische Internetcafé-Nomaden, welche keine eigene Wohnung mehr besitzen, sondern aus Kostengründen eine Box im Internetcafé dauergemietet haben und an die in Hongkong lebenden Cage-People, welche nur noch ein Bett in einem Käfig mieten, der ihr Hab und Gut schützt.
Ich selber hätte im architektonischen Entwurf ebenfalls den Hang dazu, eine große Gemeinschaft zu entwerfen. Doch welches Verständnis von Gesellschaft und Gemeinschaft steht eigentlich hinter solchen Entwürfen? Und ist der Trend zu immer mehr Gemeinschaft sinnvoll? Wie fühlt es sich an, keine klassische Wohnung mehr zu haben? Wie verändert dies mein Leben, welche Auswirkungen hat es? Welche Wertigkeit von Zeit ergibt sich daraus für mich? Führen solche Entwürfe zwangsläufig zu mehr Gemeinschaft oder sind sie am Ende nur eine unpersönliche Überschneidung individualistischer Wohnformen? Dies sind alles Fragen, welche ich mir stelle – vielleicht auch zu viele…
Doch wie möchte ich das alles anstellen?
Bei „Network by walk“ geht Sou Fujimoto so weit, dass er das eigene Haus oder die eigene Wohnung nicht mehr aus einer möglichst kleinen Wohnung und gemeinschaftlichen Räumen bestehen lässt, sondern nur noch aus Zellen, welche man sich nach Belieben zusammensuchen kann. Diese Zellen sind über die Stadt verteilt und sie können beliebige Formen und Funktionen annehmen.
Genau das möchte ich testen, um für mich herauszufinden und anderen Menschen einen Erfahrungsbericht zu liefern, wie sich so ein Entwurf auf das persönliche Leben auswirkt und ob er aus ökologischer Sicht sinnvoll erscheint oder nicht. Dabei bin ich mir bewusst, das dieser Bericht ein sehr subjektiver ist, da er von einem 21-jährigen, in der westlichen Welt lebenden, sich nicht um Geld sorgen zu brauchenden, begeisterten Architekturstudenten geschrieben wird. Und das auch noch in der Weimarer Blase. Dennoch möchte ich versuchen, die Tragweite eines solchen Entwurfs zu ergründen und zu diskutieren.
Die B1 mit ihrem Leitsatz „Architektonische Resilienz: Entwicklung von flexiblen Raumkonzepten für zukünftiges Wohnen, Arbeiten, Leben“ möchte ich als Basis nutzen. Die Eremitage soll mir dabei als Schlafzelle und Rückzugsort dienen. Alle anderen Räume suche ich mir an anderen Orten in Weimar zusammen.